Männer und Babys alleine…

Gastbeitrag Goldieopa
Als Iulia vom Arztbesuch zurückkam, vertippte sie sich zwei Mal beim Eingeben des Codes im Tordisplay der Wohnanlage.
Normal, ihr Herz pochte in der Brust. Denn als sie kaum eine Stunde davor ihren Papa gefragt hatte, ob er auf die zweieinhalbmonatige Tochter aufpassen kann, schaute er zu in der Wippe liegenden Zwuckine wie zu einer soeben erblickten, aus der Erde herausragenden Landmine:

„Und wenn sie weint?“

Derselbe Zwuckopa, der sonst Zwuckine gelenkig auf dem Arm hält und schwungvoll „Cha-cha-cha“ tanzt, wirkte nun, wie gelegentlich Tommy, der Familien-Labrador beim Gassigehen auf der Wiese hinter der Kirche.
Wenn er nämlich beim Herumschnüffeln auf der Wiese auf eine Libelle stößt, die auf einem hohen Gras ruht und leicht mit den Flügeln schlägt, zuckt er geschwind seine Schnauze zurück, wie vor einem unberechenbaren Minimonster.

Was geht in den Männern vor, sobald sie vor der Situation stehen, mit Babys allein gelassen zu werden, fragte sich Iulia.
Denn mehr oder weniger ähnlich wirkte auch Alex, ihr Mann vor einigen Wochen, als sie ihm für einen Arztbesuch dieselbe Bitte richtete. Er kratzte sich hinter dem Ohr, wie er es immer macht, wenn er gerne nein sagen würde.

„Kein Problem, halte bitte nur das Handy in der Nähe!“, sagte er ruhig, um dann in kurzen Abständen diesem Satz andere folgen zu lassen, die allesamt beruhigend sein sollten, in Wirklichkeit bei ihr das Gegenteil bewirkten.

„Mach dir keine Sorgen, sie wird doch nicht gleich erbrechen! “
„Geh ruhig nur, denn falls was passiert und du nicht abheben kannst, rufe ich meine Mama an!“ u.s.w.

Als sie ins Auto eingestiegen war und einen Blick zurückwarf, winkte ihr Mann ihr mit der Kleinen auf dem Arm von der Türschwelle zu, doch seine blauen Augen verrieten etwas von der Verzweiflung eines auf einer Insel vergessenen Matrosen beim Anblick des sich entfernenden Schiffes.

Nun beim dritten Versuch öffnete sich das automatische Tor und sie trat in die Hofanlage ein. Nach nur drei Schritten in Richtung ihres Hauses, atmete Iulia erleichtert auf: die fröhliche Stimme vom Zwuckopa mit ihrem unverwechselbaren transsilvanischen Akzent erhallte bis dahin. Sie blieb stehen und spitzte nur die Ohren. Das Lied war offensichtlich „Himpelchen und Pimpelchen“ aber was für ein Text ist das? Sie hält den Atem und horcht hinter der Tür zu:

„Himpelchen und Pimpelchen.
Leben im Dach eines schönen Haues
Himpelchen ist ein Heinzelmann
und Pimpelchen ein Zwerg.
Sie tun in der Nacht hinunterstürzen
und wackeln im Tanz mit den Zipfelmützen.
Doch wenn zu viel Zeug im Raum
Stolpern sie über den Kram
Heißa,heissa, hopsasa!
Au-au-au!! – schreien sie da!“

Nun fällt ihr, der Zwuchmama, ein Schleier von den Augen, was damit der dreijährige Zwuck meinte, wenn er in den letzten Tagen:

„Zwergi, zwergi – tanzi, tanzi – au!au!“ wiederholte.

Ganz subtil geht also Goldiopa an die Sache heran! Ihr, der Tochter, kam es schon merkwürdig vor, dass er sich in der letzten Zeit kaum über den Kram und die nutzlosen Trennwände in ihrem Haushalt mehr ärgerte. Er wird sich damit abgefunden haben, dachte die. Falsch! Offensichtlich hat er die Strategie nur geändert: statt der direkten Konfrontation, greift er nun auf die Gewinnung der Enkelkinder als Alliierten. Eine Strategie des Umzingelns also, die auf Zeit setzt.
Bei dem Zwuck trägt sie offensichtlich schon Früchte, nun versucht er mit seiner minimalistisch angehauchten Auffassung auch die Kleine einzuimpfen. Es ist für ihn nicht früh genug.

Warte mal!

Noch etwas kam ihr in der letzten Zeit merkwürdig vor. Es war während des Zoo Besuches im Park von Schönbrunn.
Vor dem Gelände, wo sich der Elefant Karli aufhielt, begann Goldiopa über die Expedition des tapferen Feldherrn Hannibal und seinem von Elefanten begleiteten Herr zu erzählen. Wie dieser die Alpen überquerte und die Römer, die bis dahin solche Tiere nicht gesehen hatten in die Flucht geschlagen hatte.
„Aber Papa, Zwuck kann das nicht verstehen, er ist zu klein dafür“ hat ihm damals Iulia gesagt!

Doch Goldiopa erzählte ungestört weiter:
Letztendlich wurde Hannibal vom römischen Feldherr Scipio zum Aufgeben gezwungen. Wie? Er stellte sich dem Herr der Karthager nicht mehr zum Kampf, sondern verfolgte es nur mit anderen Alliierten aus der Ferne! Letztendlich gab Hannibal von sich auf und segelte zurück in seine Heimat Carthago.
Nun verstand Iulia den Sinn dieses unerwarteten narrativen Einschubs ihres Vaters. Im tobenden „Haushalts-Krieg“ gegen seine Tochter war er dabei die Strategie der Römer zu übernehmen und einen Brückenkopf auf dem feindlichen Gebiet aufzubauen.

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