Wenn Goldieoma sauer wird

Wenn Goldioma sauer wird, dann auf uns alle! Ohne Ausnahme. Nicht einmal zu ihren süßen Enkelkinder schaut sie hin.

Sie, die sonst stets vor sich hin zwitschert, außer beim Zähneputzen, bricht mitten im irgendwelchen Satz ab, faucht ein „Auf Wiedersehen!“ – kein „Tschüss“ – und macht sich zur Staubwolke. Alle bleiben mit offenem Mund zurück.

Auf ihrem Profilbild in WhatsApp ist von nun an für mehrere Tage nur der Hund Tommy zu sehen. Kein anderer Mitglied der Zwuck Großfamilie! Sie scheint von diesem Moment an, überhaupt auf das Menschengeschlecht schlechthin herabzusehen. Nach der von ihr empfundenen Kränkung, eilt sie nach Hause, sackt auf seiner Matratze von Tommy ab und legt ihren Kopf zwischen seinen vorderen Pfoten. Tommy hält dabei majestätisch den Kopf hoch wie ein Sphinx, der zum Horizont der Wüste auf mögliche Gefährder hinausschaut.

Irgendwie geht es zu, wie im Werk Elias von Homer: Aphrodite, die zarte verspielte Göttin der Schönheit traut sich einmal von den Olympischen Höhen hinab dem menschlichen Treiben so nahe, dass sie dabei von der Lanze eines Sterblichen verwundert wird:

“…sogleich in die Haut fuhr schneidend die Lanze durch die ambrosische Hülle“

Sie schwingt sich mit letzten Kräften wieder zum Himmel hinauf, sucht ihre Mutter Dione, fällt ihr in den Schoß und beklagt ihr weinend die Gemeinheit der Sterblichen.

Der Unterschied zu dem Geschehen im Epos von Homer besteht nur darin, dass

die Verwundung von Goldioma nicht durch eine Lanze, sondern durch einen unschuldigen Satz erfolgt und die Tröstung der Verwundeten übernimmt keine Göttin, sondern ein Labrador.

Diesmal geschah es mitten im Versteckspiel. Wenn die Goldioma zu den Enkeln kommt wird sie, kaum hat sie sich die Strassenschuhe am Gang ausgezogen, gleich von Zwuck zum Versteckspiel herausgefordert. Und dazu ziert sie sich nicht, wie manch anderer Familienmitglied. Auch wenn Zwuck aus Ungeduld beim Zählen der Zehnerreihe die letzten drei in einen einzigen – ach‘neu‘zehn – verschluckt, ist die flinke Oma restlos schon hinter dem Kühlschrank, dem großen Sessel oder unter der Sofa gekrochen.

Schon auf der Suche nach ihr, wird das Gesicht vom Spuck an der angespannten Freude des bevorstehenden Entdecken leicht rötlich. Als dies danach tatsächlich eintritt, ertönt seine Stumme wie ein Glöckchen: „Noch einmal Oma, noch einmal!“

In einem solchen Moment rutschte der unausgeschlafenen Julia folgenschwere Bemerkung aus:

„Spielt doch bitte Mama auch was anderes mit ihm! Etwas, was die Aufmerksamkeit schärft. Wie Alex Mama tut, wenn sie zum Besuch kommt…“

Was folgt dürfte nun dem Leser bekannt sein. Die Goldioma verschwindet beleidigt in der Versenkung.

Diese dauert genau drei Tage. Am ersten Tag wird laut und wiederholt verkündet, in dem Zwuck Haus nie wieder einen Fuß zu setzten. Am zweiten Tag wird leise und nebenbei bemerkt, dass die Kids keine Schuld daran haben, wenn deren Eltern sich nicht benehmen können. Könnte am dritten Nachmittag jemand durch das Fenster der Zwuckfamilien schauen könnte, würde er folgendes sehen: Ein dreijähriger blonder Bub steht an einem Zimmereck mit dem verschmitzten Gesicht zur Wand, während seine flinke Goldioma unter einer Sofa verschwindet, gerade wenn die letzten drei Zahlen in einem einzigen verschluckten “ach’neu‘zehn“ ertönen.

Soll Zwuck ein Philosoph werden?

„Omaopa“! 

So ruft der dreijährige Zwuck von der unteren Treppenstufe des Hauses, wenn er zu den Großeltern gebracht wird und keiner von ihnen ihm entgegeneilt. Er steigt aus dem Auto als erster aus und läuft ohne auf seine Eltern zu warten durch das Gartentor ins offen stehende Haus.
„Omaopaaa!“
Der Akzent fällt auf die zweite Silbe „Opa“ , diese wird auch in die Länge gezogen. Falls Opa nicht erscheint, wiederholt er dann das zweisilbige Wort, nur wird diesmal die erste Silbe betont und in die Länge gezogen:
„Ooomaopa“! Offensichtlich wird nun die Oma gerufen!

„Der Kleine wird bestimmt einmal Philosophie studieren!“

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Hund und Kind und Weltatem!

„Sie haben zwei Schoko Labradore, oder?!“

Iulia spitzt die Ohren! Sie ist oben in der Küche von „Omaopa“ – wie Zwuck in einem einzigen Wort seine Großeltern nennt – im ersten Stock und gerade dabei sich ein Frühstück zuzubereiten. Sie hat Schinken, Käse und Milch von einem Feinkostgeschäft mitgebracht.

Denn, wenn sie den Kühlschrank bei ihrer Eltern öffnet – gähnende Leere!  Da stehen höchstens ein paar Joghurts und runzelige Karotten. Weiterlesen

Männer und Babys alleine…

Gastbeitrag Goldieopa
Als Iulia vom Arztbesuch zurückkam, vertippte sie sich zwei Mal beim Eingeben des Codes im Tordisplay der Wohnanlage.
Normal, ihr Herz pochte in der Brust. Denn als sie kaum eine Stunde davor ihren Papa gefragt hatte, ob er auf die zweieinhalbmonatige Tochter aufpassen kann, schaute er zu in der Wippe liegenden Zwuckine wie zu einer soeben erblickten, aus der Erde herausragenden Landmine:

„Und wenn sie weint?“

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Instagram Künstler III

„Phu! wie viele tolle Klamotten! Darf ich mir von dir was ausborgen?“ – fragt Goldioma ihre Tochter und kommt schon aus der begehbaren Garderobe mit einem Kleid in der Hand, das die Letztere seit der Schwangerschaft nicht mehr trägt. Wie sie sich und ihre Mutter im großen Spiegel erblickt, überkommt die Tochter ein Anflug von Eifersucht, wie ein lästiger Mückenstich. Das Kleid steht ihrer Mama wie auf den Leib geschneidert! Bei sich selbst geht der Bauch nach der zweiten Schwangerschaft verdammt langsam zurück.

Typisch Großfamilie Zwuck:

Ihre Mama ist nicht auf ihren Mann, den Goldieopa, eifersüchtig, der, gegenüber weiblicher Gäste der Tochter vor Galanterie nur so übersprudelt, aber sie, die Tochter ist sehr wohl gelegentlich auf ihre Mama neidisch. Gut, aber welche junge Frau hat solch eine Mama? „Normal“ ist sie mit ihrer Teenager Figur und kindlichem Gemüt, sicher nicht! Nun holt sich die Goldieoma noch einen Schal von der Garderobe, wirft ihn um die Schulter, schaut kurz in den Spiegel, sagt Ciao und verschwindet zum Bahnhof. Zu Fuß natürlich, mehrere Kilometer! Ebenso den Weg am Abend zurück!

 

Während Iulia ihrer Mama vom ersten Stock nachschaut, wie diese flink wie ein Wiesel über einen Wanderweg Richtung Bahnhof marschiert, schmunzelt sie in sich hinein. Es kommt ihr die vom Goldieopa häufig wiederholte, von Homer stammende Geschichte der Göttin Aphrodite wieder in den Sinn. Die Goldieoma sei doch nur eine Wiederauferstehung der altgriechischen Göttin, breitet er sich bei geselligen Anlässen über dieses Thema aus!

Es ist ihm, dem Hirtensohn aus Transsilvanien nicht anders gegangen als dem Hirtensohn auf dem griechischen Berg Ida. Es war ihm, dem Philosophiestudenten, damals in den Jugendjahren nicht danach, sich auf eine neue Beziehung einzulassen, er wollte nach einer schweren Prüfung einfach ins Bukarester Konzerthaus gehen um klassische Musik zu hören.

Ebenso wenig war es ihm, dem Hirtenjunge Anchises danach: Nachdem er in der Dämmerung die Kühe ins Gehege getrieben und eine nach der anderen gemolken hatte, setzte er eine Flöte an seinen Lippen, um etwas zu spielen, bis das Fleischgericht auf dem offenem Feuer vor der Holzhütte kochte.

 

Als er in weiter Ferne die auf ihn zulaufende, lichtumgebenen Erscheinung erblickte, sprang Anchises auf. Das Körpergewicht war gleich auf das linke, angewinkelte Bein verlagert, die Lanze wie in eisernen Zangen in der rechten Hand, die Spitze steil empor gerichtet. Es fehlte nur der allerletzte, flüchtige Blick, um den Abstand zu dieser plötzlich auf ihn stürzenden Erscheinung einzuschätzen, bis sich seine Lanze im hohen Bogen durch die Lüfte schwirrend in die…

Beim Zeus! Wie steht nun plötzlich diese anmutige Gestalt, kaum einen Schritt von ihm entfernt! Ist sie, die soeben in der Weite gesichtete Gestalt? Und nun war sie hier neben ihm, wie angeflogen!

Und was war mit seinem so verlässlichen Hunde los, der jedes sich annähernde Wild schon lange bevor er es sichtete, durch lautes Bellen anmeldete? Als Anchises auf die Beine sprang und mit dem rechten Arm zum Lanzenwurf ausholte, blieb sein Hund mit der Schnauze am Boden und blickte zu ihm, als ob er sich fragte, wie sein Herr darauf kam, bei so einem ruhigen Sommerabend, mit Kampfübungen zu beginnen. Und nun, was tut er?! Er beschnuppert die zarte Gestalt der aus dem Himmel gefallenen jungen Frau und schmiegt sich freundlich wedelnd an ihre kurzen Stiefel, als wäre sie eine lange Vertraute!

Der an sich wackere Hirtensohn war nicht einmal aus dieser allerersten Verwirrung heraus, als sich eine weitere dazu gesellte. Denn, als diese Erscheinung ihn als eine Königstochter ansprach, die sich bei der Jagd verlaufen hatte, machte er gleich eine tiefe Verbeugung und bat ihr seinen Platz auf dem Bärenfell vor dem Feuer an. Aber sie! Sie richtete nur den Blick zur Holzhütte und wiederholte ihren Wunsch sich gleich hinzulegen, so müde war sie! Könnte er sie hinein begleiten? …

 

Der Philosophiestudent schlich auf Zehenspitzen den langen, dicken Teppich im halbdunklen Konzertsaal nach vorne. Das Konzert für Violine und Orchester von Ludwig van Beethoven hatte schon angefangen. Denn erst kurz nach Konzertbeginn wurden die mittellosen Studenten, gegen ein Trinkgeld eingelassen. Da machte der Portier einen diskreten Wink mit dem Kinn und die geduldig wartenden Studenten eilten an ihm vorbei und steckten ihm eine Packung Zigaretten oder ein paar Münzen zu.

Der Student schritt bis in die Höhe der dritten Sitzreihe, dort ragte bei „seinem“ Stehplatz aus der Wand ein kleiner Sims hervor, sodass er sich im Stehen dagegen stützen konnte. Dann machte er die Augen zu. Er liebte es klassische Musik mit geschlossenen Augen zu hören.

Sonst merkte er irgendwelche Details im Auftreten der Protagonisten – mal die zu hohen Schuhabsätze des Violinvirtuosen, mal die leicht schief liegende Schleife des Dirigenten – die dann allerlei lästige Überlegungen in seinem Kopf hervorriefen. So, mit geschlossenen Augen schwebten ihm vor dem inneren Auge beim Lauschen der Akkorde allerlei vertraute Bilder vor.

Wie nun: Das Horn ertönt einmal lang und er scheint das Muhen der Joana zu vernehmen, der stattlichen Schwarzkuh aus seinem siebenbürgischen Dorf! Auf dem Heimweg von der Hügelwiese entlang des Dorfbaches kommend, löste sie sich vor dem Haustor aus der restlichen Herde und wartete geduldig bis jemand ihr aufmachte. Muuh.

Oder die nun folgenden sanften Streichakkorde: Die klingen, wie die in den hölzernen Kübel laufende Milch beim Melken der Schwarzkuh. Denn nachdem er sie zum Stall brachte, setzte er sich auf einen Schemel dicht an ihr mächtiges Euter und zog der Reihe nach an den vier Zitzen bis der Kübel voller frischer Milch war.

 

Nun zuckte er plötzlich auf: Der Paukenschlag aus dem hinteren Teil des Orchesters ertönte mit einer ungewöhnlichen Lautstärke, brutal sogar. Er überblickte die Sitzreihe in seiner Höhe, um zu sehen, ob den anderen dies auch so vorkam. Doch auf niemandes Gesicht regte sich etwas!

 

In dem Moment erblickte er sie, die spätere Goldieoma. Eigentlich nicht als Ganzes sondern nur ihre in seidenen Strümpfen umhüllten runden Knie, die leicht nach außen ragten. Auch etwas von ihrer kleinen Nase und in einem Knoten hochgesteckten Haare. Ein Pupperl der vornehm Gesellschaft, denkt er sich. Denn wer kann sich sonst einen solchen Sitzplatz leisten? In der dritten Reihe vor der Bühne? Da müsste man in dem kommunistischen Land entweder Botschafter oder Sprösslinge eines hochgestellten Bonzen sein.

Er schloss wieder die Augen, entschieden sich nicht von ihr ablenken zu lassen! Doch mit dem Hervorsprießen sanft flatternder und glücklich stimmender Bilder vor seinem inneren Auge war es vorbei!

Als er aber die Augen kurz wieder halb aufmachte, staunte er nicht wenig: mit dem Oberkörper war die zarte Schönheit in seiner Richtung gedreht und ihre Augen ruhten diskret aber unübersehbar auf ihm! …

Haushalt bei den Instagram Künstlern!

Gastbeitrag Zwuckopa

Als der Zwuckopa in die Wohnung seiner Tochter, der Zwuckmama kommt, stößt er auf dem Gang, der von der Eingangstür zum Wohnzimmer führt, auf ein unentwirrbares Knäul von Straßenschuhen, Hausschuhen, Sporttaschen, Säcken mit gebrauchten Windeln, Einkaufskörben und ähnlichem Kram.

„Durchwursteln muss man sich bei euch…“

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